Direct Mailers Roundtable

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Die Wahrheit, warum Finanz-Headlines floppen

13. Dezember 2006

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Direct Mailer’s Roundtable
peterjuergenbeck@coin-sl.com

13. Dezember 2006

DIE SCHOCKIERENDE WAHRHEIT,
WARUM FINANZ-HEADLINES FLOPPEN

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Mich schockierte, was da der Email- und Webmarketing-Direktor
Andrew S. Palmer vom AGORA-Verlag vorführte…

Er zeigte auf dem großen Präsentier-Bildschirm eine Mailing-Headline
nach der anderen, ließ seine rund 200 Zuseher abstimmen: »Winner or
looser?«

Das Schockierende: Auch richtig packende Headlines, bei denen ich stolz
gewesen wäre, sie geschrieben zu haben, verloren gnadenlos.

Das Geheimnis: Diese Headlines waren journalistisch vielleicht gut –
werblich aber schlecht.

Achtung, bevor Sie zu lesen aufhören. Was ich hier schreibe, gilt auch
für andere Bereiche als nur für die Finanzmärkte. Diese Finanzmärkte
dienen nur als gutes Beispiel für andere Bereiche. Denn bei den
Finanzmärkten ist der Wettbewerb besonders stark. Was sich natürlich
auf die Qualität der Werbung auswirkt. Was also im Finanzbereich
funktioniert, funktioniert erst recht in anderen Bereichen.

Also weiter…

Eine Headline »China saugt alle Rohöl-Reserven auf und lässt
Energie-Aktien explodieren« mag zwar journalistisch gut sein, werblich
ist sie aber zu unkonkret.

Oder eine Headline wie »Goldanleger vergeuden Geld — Silber ist viel
lukrativer« hört sich gut an, ist aber offenbar nicht konkret genug.

Dazu fiel mir gleich ein interner Rundbrief ein, den AGORA-Chef Bill
Bonner vor Jahren an seine Newsletter-Redaktionen schrieb…

Ich gebe Ihnen den Inhalt sinngemäß wieder: Es genüge nicht, wenn die
Autoren schreiben: »Investieren Sie in Rohstoff-Aktien.« Vielmehr
sollten sie konkret schreiben: »Rufen Sie heute nachmittags gegen 15
Uhr Ihren Broker an. Sagen Sie ihm, er soll für Sie 20 Aktien der
xy-Gesellschaft kaufen.«

Will meinen…

Der Leser darf bei allen Empfehlungen fast nichts mehr denken müssen.
Der Schreiber muss ihm jede Denkarbeit abnehmen und ihm Schritt für
Schritt sagen, was er tun soll.

Wichtig für uns Werber: Muss er denken, hört der eilige Leser zu lesen
auf. Sagen wir ihm morgens in der Frühe, dass China alle
Rohöl-Reserven aufsaugt und damit die Energie-Aktien explodieren
lässt, ist das offenbar schon zu viel.

Wir müssen eine Headline finden, die viel näher an das herangeht, was
unserem Leser sofort mühelos begreifbar und machbar erscheint. Eine
Headline, die ihm sehr nahe ist.

So eine erfolgreiche Headline, die uns Andrew S. Palmer zeigte, sprach
zum Beispiel von einem riesigen Erdölvorkommen, das mitten in Amerika
entdeckt wurde und größer sei als alle Erdölvorkommen in Iran, Irak
und anderen Ländern zusammen.

Na ja, so eine sensationelle Headline muss man erst mal finden! (Der
Wahrheitsgehalt dieser Headline wurde durch einen Zeitungsausschnitt
– ich glaube, es war das Wallstreet Journal — gedeckt.)

Die erfolgreiche Headline muss also so sein, wie ich mir sehr viel
früher mal — als ich finanztechnisch extrem dumm war — meinen
Sparkassen-Berater vorstellte: Dass er mir mal ausnahmsweise d-e-n
Geheim-Tipp seiner besten Kunden ausplaudert.

So ein Geheim-Tipp würde nicht so klingen, wie’s Bankberater ihren
Opfern meist erzählen: »Kaufen Sie jetzt indische Aktien. Die indische
Wirtschaft boomt und die Kurse werden steigen.« Er würde eher so
klingen: »Fast alle Aktienanleger kaufen jetzt indische Aktien,
während sich gerade eine, von der breiten Öffentlichkeit unbemerkt,
kleine Gesellschaft im Nachbarland xy auf die große Sensation
vorbereitet…«

Okay, das habe ich jetzt schnell hingeschrieben. Das ist längst nicht
d-i-e Top-Headline. Aber sie zeigt in die Richtung, in die wir bei
Top-Headlines gehen müssen:

Der Leser muss etwas vor Augen haben, von dem er meint, dass nur er
davon weiß. Es muss ihm so logisch und leicht verständlich erscheinen,
dass er spontan zugreifen kann. Ohne lange nachzudenken.

Eine BIG IDEA muss her. Ist die gut, so versprach Andrew S. Palmer (den
ich in meinen vergangenen Briefen versehentlich Mike Palmer nannte,
entschuldigen Sie das bitte), dann darf der Text sogar schlecht
geschrieben sein.

Das wiederhole ich noch mal, auch wenn’s diese nervigen deutschen
Schreibregel-Erfinder noch so wurmt: Beim Direct Mailing kommt’s auf
die Big Idea an und nicht auf Tausende von Schreibregeln. Ist die Big
Idea gut, dann ist es egal, wie oft im Brief das Wörtchen »Sie« steht,
wie viele Sätze aktive Verbalsätze sind und ob ein Satz acht oder 16
Worte lang ist.

Auf das WAS kommt es an. Nicht auf das WIE.

Wohl dem Texter also, der eine starke, leicht verständliche Tatsache
für seine Headline findet. Hat er diese Headline gefunden, dann ist
der Rest des Briefes schnell geschrieben.

Und jetzt kommt der Haken: Diese Vorgehensweise erfordert eine enge
Zusammenarbeit zwischen Redaktion und Werbung. Und davon ist man in
Deutschland meilenweit entfernt.

Die meisten deutschen Newsletter- und Loseblatt-Verlage verzichten
lieber auf hohe Response-Quoten und viel Geld, als dass sie ihren
Redakteuren zumuten eine halbe Stunde lang mit einem Werbetexter zu
reden.

Nach all dem, was wir jetzt über erfolgreiche Headlines im
Finanzbereich wissen, sollten Sie mal die Bank-Headlines im SPIEGEL
dieser Woche lesen:

»Was auch passiert. Die Sparkassen-Altersvorsorge passt sich Ihrem
Leben an.« (Foto: Pärchen mit Schwangerschaftstest; Seite 21)

»Ob man einfach mal völlig abschalten kann? Mit Bundesschatzbriefen
geht’s leichter.« (Foto mit leeren Strandkörben auf leerem Strand;
Seite 37)

»Ab 1. Januar gelten neue Gesetze für Vermögen ab 50.000 Euro« (Seiten
53 plus 55)

»Deutschland entdeckt eine neue Spezies. Das doppelschlitzige
Riester-Sparschwein.« (Foto von blauem Sparschwein mit 2 Schlitzen;
Seite 73)

»Mitfeiern, mitwachsen« (dazu Foto mit Baum, auf dessen Ästen rund 50
winzige Menschen sitzen und stehen; Seite 80)

»Gemeinsam mehr erreichen.« (Foto: 4 Menschen schieben Auto einen
Feldweg entlang; Seite 88)

»Fondsmanagement erfordert eine präzise Analyse. Damit Ihr Vermögen
Kurs hält.« (mit Foto von Segelboot; Seiten 102 und 103)

»Was wäre, wenn Ihr Fitnessplan besser ist als Ihr Vorsorgeplan?«
(Seite 135)

»Das einzige Girokonto, das zahlt statt kostet.« (Seite 146)

»Wie für Sie gemacht: Das gesamte Spektrum aller Bank- und
Finanzdienstleistungen auf einen Schlag.« (dazu Foto mit 9
Golfschlägern; Seite 159)

»Das kostenlose Girokonto ist da / Jetzt eröffnen und 50 Euro
Startguthaben sichern / Ideen nach vorn /« (letzte Seite)

Ich sag nix! Es sind auch 2 gute Headlines dabei. Ich habe Ihnen
einfach die paar Finanz-Headlines runtergetippt, die ich beim
schnellen Durchblättern in diesem SPIEGEL fand. Könnten Sie die besser
schreiben? Konkreter? Verkaufsstärker? Spielen Sie einfach damit.

Der Titel dieses SPIEGELS passt zu vielen Werbe-Headlines (leider auch
zu manchen, die ich in den letzten Jahren selbst geschrieben habe):
»Am Leben vorbei«

Das wird sich ändern!

Viele Grüße
Peter J. Beck
www.coin-sl.com/texter

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Headline auswählen: So machen’s die Amis

8. Dezember 2006

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Direct Mailer’s Roundtable
peterjuergenbeck@coin-sl.com

8. Dezember 2006

HEADLINE AUSWAEWHLEN:
SO MACHEN’S DIE AMIS

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So, Schritt für Schritt plaudere ich Ihnen alle Tricks unserer
amerikanischen Vorbilder aus. Zum Beispiel wie die beim großen
Agora-Verlag in Baltimore Headlines auswählen.

Sie wissen ja, aufs Urteil von Kollegen, Freunden und Bekannten können
Sie sich wenig verlassen. Die sagen Ihnen nie die Wahrheit. Weil sie
das nicht können — oder auch nicht wollen.

Ich wenigstens habe mir längst abgewöhnt, meine Texte anderen Leuten zu
zeigen. Die geben mir ja doch keine konkreten Infos, wie ich meine
Texte verbessern kann.

Die Kollegen in Baltimore haben nun eine Methode, wie sie wenigstens
herausfinden, wie eine Headline bei Lesern ankommt. Und vor allem,
welche Headline von vielen Headlines die beste ist.

Das machen die so….

Nehmen wir an, die wollen aus 10 Headlines die besten 3 auswählen. Dann
setzen die sich in die Runde und nehmen sich jede Headline einzeln
vor….

a) Der Versammlungsleiter liest die erste Headline vor.

b) Reihum sagt dann jeder Rundenteilnehmer kurz, was ihm an der
Headline gefällt und was nicht.

c) Nach seinem Kommentar gibt der Rundenteilnehmer der kommentierten
Headline eine Note von 1 (»sehr gut«) bis 3 (»schlecht«). Auch
Zwischennoten sind erlaubt.

An der Versammlung können auch die Texter der Headlines teilnehmen. Sie
dürfen aber in der Diskussions-Runde ihre eigenen Headlines nicht
verteidigen. Sie müssen also schweigend zuhören, wie die anderen
Teilnehmer loben oder kritisieren.

Worin der Sinn dieser Vorgehensweise liegt, habe ich vor ein paar
Wochen selbst in Florida erlebt….

Da ist gerade meine Headline an der Reihe. Eine nette Kollegin redet
sehr nett darüber. Ich rechne mit einer sichereren Eins. Sie gibt mir
aber eine schroffe 2,5. Die nächste Kollegin bitte…

Wie bitte? Die versteht meine Headline ganz anders als ich gedacht
habe! Redet, redet und redet. Aber über etwas ganz anderes als ich in
der Headline ausdrücken wollte. Ich bekomme dennoch eine Zwei — aber
für etwas, was ich eigentlich ganz anders wahrgenommen haben wollte.

Gnadenlos stellt sich bei so einer Rundum-Benotung heraus, ob die
Teilnehmer eine Headline überhaupt so verstehen, wie sie vorgesehen
ist. Und mit der Note sagen die Teilnehmer ehrlicher, was sie wirklich
von einer Headline halten.

Es ist leichter, einfach »drei« zu sagen, als »Ihre Headline ist
unverständlich und langweilig«.

Probieren Sie das einfach einmal aus. Lassen Sie also verschiedene
Testleser sagen, was ihnen an Ihrer Headline gefällt und was nicht.
Lassen Sie sich dann benoten. Diskutieren Sie nicht lange. Bringt ja
nichts. Mit seiner Note hat Ihnen ihr Testleser wahrscheinlich auf die
ehrlichste Weise, die ihm möglich ist, seinen Eindruck gesagt.

Versteht Ihr Testleser Ihre Headline falsch, hilft Ihnen auch eine
Diskussion nichts. Mit den vielleicht 40.000 oder 400.000 Lesern nach
der Aussendung Ihres Mailings können Sie ja auch nicht diskutieren.

Am besten funktioniert die Agora-Methode aber, wenn Sie aus mehreren
Headlines die attraktivste herausfinden wollen.

Lassen Sie also mehrere Headlines kritisieren und — vor allem! –
benoten.

Probieren Sie dabei selbst aus, was bei Ihnen besser funktioniert: a)
Sie legen eine Headline nach der anderen vor. b) Sie legen alle
Headlines auf einmal vor.

Note-2-Headlines und Note-3-Headlines werfen Sie in jedem Fall gleich
weg. Sie konzentrieren sich dann voll auf Ihre Note-1-Headlines — und
machen die noch attraktiver.

Solange, bis dann eine einzige und hoffentlich optimale Headline übrig
bleibt.

Eines muss ich Ihnen noch sagen:

Auch ganz große Top-Copywriter ärgern sich manchmal mit Auftraggebern.
So fand ich in dem Material (»Secrets of Writing for the Financial
Market« www.thewriterslife.com/fin/awaicatalog/), das ich mir
aus den USA mitbrachte, folgende Klage von Clayton Makepeace, der als
der weltweit bestbezahlte Mailing-Texter gilt:

»Da heuern die einen Million-Dollar-Copywriter an, dann unterzeichnen
die einen Vertrag mit ihm, der Millionen Dollar wert ist, wenn das
Package erfolgreich ist. Die wissen, der Junge hat 30 Jahre
Erfahrungen damit, wie man erfolgreiche Packages schreibt und setzen
Ihnen dennoch einen jungen College-Absolventen vor die Nase, der Ihren
Text ändert.«

Clayton Makepeace (www.makepeacetotalpackage.com) rät, dass Sie
sich da als Texter eine dicke Haut zulegen sollten. Sie sollten nicht
gleich in die Verteidigerrolle schlüpfen, wenn jemand Sie und Ihre
Arbeit kritisiert.

Oft sei man als Texter mit Mittleren Managern konfrontiert, »who feel
that they have to change something in order to be part of the
process«.

Viele Grüße
Peter J. Beck
www.coin-sl.com/texter

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