Direct Mailers Roundtable

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Vermeiden Sie Unsinn in Ihren Werbetexten

21. April 2006

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Direct Mailer’s Roundtable
peterjuergenbeck@coin-sl.com

21. April 2006

VERMEIDEN SIE UNSINN
IN IHREN WERBETEXTEN

(Eine leicht nachvollziehbare
Anleitung, wie Sie
selbst gute Texte schreiben)

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Liebe Leserin, lieber Leser,

Herzklopfen bei einem Nachwuchstexter…

»Ich habe gerade zwei Entwürfe für einen
großen Fahrradladen abgegeben. Aufgabe: Den
zur Verfügung stehenden Platz von 35 Zeilen
à 40 Zeichen mit einem redaktionellen
Beitrag füllen. Darunter wird eine Anzeige
stehen, die prämierte Bikes (Eigenmarken des
Ladens) zeigt.«

Was da nun schreiben?

Das Gefühl kenne ich aus meinen Anfangsjahren
mehr als gut. Es ist ein schlimmes Gefühl.

Pseudo-witzige Formulierungen, pseudo-kreative,
blöde Formulierungen geistern einem da durch
den Kopf.

Dem Kollegen ging es wahrscheinlich genauso. Er
schrieb seinem Kunden — dem Fahrradhändler — aus
Unsicherheit deshalb gleich 2 Textversionen.

Eine dieser 2 Textversionen ging so los…

»Spornen Sie Ihr Haustier zu Höchstleistungen an
- Ihr Drahtesel hat mehr drauf, als Sie vielleicht
glauben!

Nun ja, es hängt natürlich auch viel
vom Reiter ab. Wenn Sie den Winter
noch nicht aus Ihrer Fahrradbekleidung
geschüttelt haben, wird es jetzt aber
höchste Seit, Ihre Fans am Straßenrand
warten schon auf Sie - die Kleinen (Käfer,
Schmetterlingen, Vögel, Mäuse) wie auch
die Großen (Kühe, Pferde, Schafe, andere
(Draht)-Esel. Können Sie die Anfeuerungs-
rufe schon hören? Zeigen Sie ihnen mal,
was Fahrtwind bedeutet und sorgen Sie
für eine frische Brise, die den sonnen-
hungrigen Straßenbewohnern Federn,
Fell, Fühler oder Mähne wehen lässt…«

Die zweite Textversion ging auch nicht
besser los…

»Können Sie schon den Applaus Ihrer Zuschauer
am Straßenrand hören?

Vielleicht wird es nicht so voll wie bei
der Tour de France, aber bewundernde
Blicke dürfen Sie auf jeden Fall erwarten,
wenn Sie mit einem unserer Testsieger
den Asphalt kitzeln…«

Wissen Sie was? Ich glaube, der Kollege ist
sehr nahe dran an einem sehr guten Text für
seine Werbung.

Er muss nur seinen Blickwinkel ändern.

Wie die zwei Beispielstexte entstanden, kann
ich mir sehr gut vorstellen, zumal mir der
Kollege später berichtete, dass er nur 3 Stunden
Zeit hatte. Eine Menge Stress also.

Der Stress wurde durch die falsche Herangehens-
weise erheblich verstärkt: Der Kollege wollte
etwas Spritziges, Geistreiches, Witziges schreiben.

Er wollte seinem Kunden eine Freude bereiten. Und
sich selber auch.

Leider läuft es so nicht. Nebenbei gesagt, ist
es eines der strengen Gebote unserer erfolgreichen
amerikanischen Vorbilder, dass Humor im Direct
Mailing nicht funktioniert.

Kein Humor also im Direct Mailing! Keine Witzigkeit!

Die Gefahr bei diesem witzigen, vermeintlich kreativen
Schreiben besteht darin, dass Ihnen jegliche Leitlinie
fehlt.

Sie formulieren, formulieren und fühlen dabei, dass
das irgendwie flau ist, was Sie da schreiben.

Sie geraten dabei immer tiefer in Blödsinn, sagen sich
aber vielleicht: Das ist eben Werbung.

Sie erkennen solche vermeintliche Werbung an
Plattheiten wie »Drahtesel«, die keiner mehr hören
möchte. Ihre Steigerung fanden solche Plattheiten
im Text des Kollegen in immer neueren Viechern,
die das Wort Fahrrad »kreativ« ersetzen sollten…

»Wenn Ihr alter Gaul Ihrem Temperament
nicht mehr gewachsen ist, dann gönnen
Sie ihm doch eine langsamere Gangart
auf einer schönen Weide und preschen
Sie schon bald mit einem jungen, wilden
Renner durch den Frühling. Vielleicht sogar
mit einem unserer prämierten Rassepferde.
Über 3.000 Rennpferde (Rennräder), Berg-
ziegen (Mountainbikes), Kamele (Trekking-
bikes) und Ponys (Kinderbikes) stehen in
unseren 1.000 qm großen Stallungen zum
Ausritt bereit. Auch Kutschen (Citybikes)
für den weniger sportlich ambitionierten
Jockey finden Sie bei uns…«

Der Kollege muss also seine Herangehensweise
total ändern. Dafür kommt er aber dann wahr-
scheinlich sehr schnell zu einem viel besseren
Text.

Ich erinnerte diesen Kollegen zuerst an eine alte
Kommunikationsformel. Die schreiben Dozenten für
schriftliche Kommunikation immer gerne zu Beginn
eines Seminars an die Tafel oder ans Clipboard.

Die Formel heisst…

Sender>>> Botschaft>>> Empfänger

Machen Sie sich bewusst, dass Sie beim Schreiben
nur diese Formel perfekt erfüllen müssen.

Perfekt erfüllen Sie diese Formel, wenn Sie
vom richtigen Sender die richtige Botschaft an den
richtigen Empfänger möglichst ohne Störgeräusche
(die Amis sagen dazu »Clutter«) übermitteln.

Aus dieser einfachen Formel für gute Schreibe
ergeben sich auch die vielen Schreib»regeln«,
wie »kurze Sätze schreiben«, »möglichst keine
Adjektive«, »überflüssige Worte raus«, etc.

Voraussetzung für diese Schreibe ist, dass Sie
äußerst präzise arbeiten:

a) Sie kennen perfekt den Sender.

b) Sie kennen genau die Botschaft, die er dem
Empfänger vermitteln will.

c) Sie kennen Ihren Empfänger.

Sehen Sie sich also beim Schreiben nicht als
versponnenen Künstler. Sehen Sie sich als einfachen
Dienstleister. Der nichts anderes tut, als dem Empfänger
eine Botschaft zu überbringen.

Möglichst heil und clutterfrei

Zu unserem Beispiel….

Der Sender des Texterkollegen ist wahrscheinlich ein
gestandener Unternehmer und Radsportler.

Er hat ein Geschäft mit 3.000 Rädern aufgebaut.
Entwickelte Eigenmarken, die sogar prämiert wurden.

Wahrscheinlich ist er stolz darauf, dass auch seine
preiswerten Familienräder von hoher Qualität sind. (Nicht
nur die teueren Sportbikes.)

Und für seine besonderen Fans präsentiert er stolz ein
paar Unter-10-Kilo-Bikes mit Carbon-Rahmen und edler
Campagnolo-Record-Ausstattung. So ein Bike kostet an
die 5.000 Euro.

Der Mann ist also bei seiner Zielgruppe sicher eine
Respektsperson. Wahrscheinlich gewann er früher
Radrennen, fährt noch heute wöchentlich seine 200
oder 300 Kilometer. Viele Kunden bewundern ihn.

Leider kommt man mit solchen Menschen selten ins
Gespräch. Sie haben einfach keine Zeit.

Nun stellen Sie sich vor, da ist endlich mal ein
Treffen von Radfans. Alle warten gespannt auf den
Vortrag des Meisters. Er tritt ans Rednerpult und fängt
zu reden an…

»Spornen Sie Ihr Haustier zu Höchstleistungen an
– Ihr Drahtesel hat mehr drauf, als Sie
vielleicht glauben…«

Ist der beschwippst? Hat der einen Clown gefrühstückt?

Der spricht von Käfern, Mäusen und Schafen?

Was für eine Enttäuschung!!!!!! Der Chef des großen Super-
Ladens ein alberner Witzbold!

Ist das wirklich seine Botschaft? Witzigkeit?

Gerade dann, wenn er die Möglichkeit hat, seine Ideen
vor einer großen Zielgruppe darzustellen?

Ich glaube nicht. Ich bin sicher: Reden Sie mit dem Mann,
hat der sehr wohl eine ernsthafte Botschaft an seine
Zielgruppe.

Männer wie der sprühen nur so vor interessanten
Informationen.

Er wird vor Billigst-Bikes aus dem Baumarkt warnen.
Er wird von passenden Sitz- und Oberrohrlängen reden.
Er wird Scandium- oder Carbonrohre empfehlen.
Er wird über ideale Trainingseinheiten reden, usw.

Vielleicht zieht er ein schwarzes 7-Kilo-Colnago aus
der Radl-Masse hervor und reicht es Ihnen lächelnd
rüber: »Heben Sie mal… das wiegt nichts.«

Was ist nun die Botschaft des Fahrradhändlers an die
Leser der Zeitung?

Ich glaube, die Sache ist ganz einfach….

Zeitung und Fahrradhändler schlossen einen Deal:

»Sie schalten bei uns ein Inserat für x.xxx Euro,
wir schenken Ihnen dazu 35 Zeilen à 40 Zeichen
für Schleichwerbung.«

Was will der Fahrradhändler in dieser Schleichwerbung
lesen?

Vielleicht….

»Zeigen Sie ihnen (den Mäusen und Käfern) was Fahrtwind
bedeutet und sorgen Sie für eine frische Brise, die den
sonnenhungrigen Straßenrandbewohnern Federn, Fell, Fühler
oder Mähne wehen lässt«?????

Nein! Glaube ich nicht!

Ich glaube der Fahrradhändler will in der Zeitung
viel lieber das hier lesen:

»Herr XY ist im Verbreitungsgebiet unserer Zeitung
der beste, beliebteste, angesehenste, preiswerteste,
bestsortierte, zuverlässigste Fahrradhändler. Er bietet
die meisten Fahrräder, die besten Fahrräder, die beste
Beratung, den besten Service. Kaufen Sie ein neues
Fahrrad geht kein Weg an ihm vorbei.«

Wie genau hat der Schreiber seine Zielgruppe studiert?

Findet sich diese Zielgruppe in Bildern wie »Asphalt
kitzeln« wieder? Sieht sich ein Rennradfahrer als
Jockey? Nimmt eine Hausfrau ihr Citybike
als Kutsche wahr?

Sicher wäre der Schreiber zu einem viel besseren Text
gekommen, hätte er sich seinen Sender und die Empfänger
der Botschaft so bildlich vorgestellt, wie ich das oben
geschildert habe.

Stellen Sie sich als bildlich vor, wie Sie (oder die
Person, für die Sie den Text formulieren) mit der
Zielperson reden würden.

Also im Fall oben: Stellen Sie sich vor, wie der
Fahrradhändler vor seiner Zielgruppe auftreten würde.
Was er seinen Zuhörer sagen möchte.

Mein Tipp ist also der hier:

Denken Sie beim Schreiben nicht so sehr daran, dass Sie
gerade Werbung schreiben. Denken Sie nicht so sehr an
irgendwelche Regeln.

Setzen Sie sich einfach hin und schreiben einen Brief an
Ihren Leser. Sagen Sie genau das, was Sie ihm nicht nur
schreiben, sondern auch s-a-g-e-n würden.

Viele Grüße
Peter J. Beck
www.coin-sl.com/texter

Würden Sie bitte diesen »Direct Mailer’s
Roundtable«
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