Direct Mailers Roundtable

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Warum US-Mailings so stark übertreiben

7. September 2006

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Direct Mailer’s Roundtable

peterjuergenbeck@coin-sl.com

7. September 2006

WARUM VIELE US-MAILINGS
SO STARK ÜBERTREIBEN

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»So, jetzt bin ich gespannt, wie du dich da
rausredest,« dachte ich mir kürzlich auf einem
US-Seminar….

Ich war mir sicher, dass ER da keine Chance
hat.

Einige Teilnehmer hatten den Star-Texter vieler
äußerst erfolgreicher Mailings scheinbar übel
in die Enge getrieben:

»Sie schreiben da in Ihren Mailings wie man
angeblich aus ein paar Dollars Millionen machen
kann. Sie wissen doch, dass das kaum
realistisch ist.«

Strafende Blicke. Abwartende Blicke, wie der
Star-Kollege nun reagiert.

Der US-Texter stammelte aber nicht lange herum.
Sondern lieferte eine absolut logische
Erklärung:

Die Leser sind nicht dumm. Aber Sie möchten
träumen.

Ein Texter kann natürlich in seiner Headline
von braven 28,5% Durchschnittsgewinn schreiben,
die sein Financial Newsletter in den letzten
Jahren erreichte.

Er kann aber auch von dem 800% Gewinn
schreiben, die eine besondere Glücks-Aktie aus
dem Newsletter-Portfolio brachte.

Sehen Sie…

Da kommt ein Manager an einem verregneten
Morgen in sein Büro, hat lästige
Verwaltungsarbeiten vor sich. Da bringt ihm seine
Sekretärin die neue Post auf den Schreibtisch.

Unter all den Rechnungen, Anfragen,
Beschwerdebriefen, etc. findet der Mann unseren
Brief mit dem Teaser »800% Gewinn in 3
Monaten«.

Darf er sofort nach dem Brief mit dem 800%-
Gewinn greifen????? Darf er sich für einige
Minuten in dem Traum wiegen, dass er auch mal
einen so hohen Gewinn landet???????

Ich glaube, er darf. Dem Lieben Gott ist’s
recht. Denn der belohnt Texter und Unternehmer,
die solche Texte versenden, mit hohem Response,
mit prächtigen Villen in Florida, mit prächtigen
Stadthäusern und prächtigen Stadtwohnungen in
Baltimore, Miami und New York.

Die Belohnung kommt dafür, dass diese Texter
und Unternehmer berücksichtigen, dass der
Mensch - ihre Leser - nicht nur aus Verstand
besteht, sondern auch aus Gefühlen.

Achtung: Ich spreche hier NICHT von Mailings,
in denen Lügen verbreitet werden.

Ich spreche hier also nicht von Mailings, die
etwas Falsches behaupten. Sondern ich spreche
hier von Mailings, die geschickt die positivsten
Seiten eines Angebots herausstellen. Und die
das so tun, wie wir das in einem persönlichen
Gespräch auch tun würden.

Und in einem persönlichen Gespräch reden wir
eben zuerst von den sensationellen Dingen. Zuerst
von der 800%-Aktie. Dann, viel später erst, von
den langweiligeren 28,5% Durchschnittsgewinn
unseres Aktien-Portfolios.

Es geht also um Gefühle. Und viele Theoretiker
meinen, ein Text sei unseriös, wenn er Gefühle
beschreibt oder auslöst.

Verkauft wird aber über Gefühle, nicht über den
Verstand. Ein 500 PS starker Sportwagen ist im
geschwindigkeitsbeschränkten Amerika, Europa
oder in Asien Unsinn - wenn’s nur um den
Verstand geht.

Fürs Gefühl aber macht ein Sportwagen Sinn.
Weil er z.B. Spaß macht, so schön zielgenau
durch Kurven zieht, so schön grollt und brüllt,
so schön beschleunigt.

Auch ist eine Schnitte Vollkornbrot viel
gesünder als ein Stück Torte. Und ein Glas
Adelholzener Mineralwasser ist viel gesünder
als ein Glas Coca Cola. Und die Süddeutsche
Zeitung ist auch vernünftiger als die BILD-
Zeitung.

Dennoch: Mehr Kohle gemacht wird bei allen drei
Beispielen oben mit Version B: Torte, Coca Cola
und BILD.

Jetzt fügen wir noch ein viertes Beispiel
hinzu. Auch wieder zwei Versionen….

Werbeversion A für den Verstand: »Gewinnen Sie
solide 28,5%«

Werbeversion B fürs Gefühl: »Gewinnen Sie
traumhafte 800%«

Bei Version A muss Ihr Leser denken. Bei
Version B darf er träumen.

Wofür wird er Sie belohnen? Was macht ihn eher
neugierig? Was will er schneller in den Händen
halten? Den Newsletter, der ihm solide 28,5%
vorrechnet? Oder den Newsletter, der ihm
sagenhafte 800% in Aussicht stellt?

Hallo, wir sprechen hier von Menschen! Und
selbst die Mädels machen sich nicht reihenweise
für brave, treue Gutmenschen nackig, sondern
für Dieter Bohlen und Flavio Briatore.

Also….

Kritisiert demnächst ein Theoretiker Ihren Text
mit den Worten »zu unseriös«, dann hat er
vielleicht als Wissenschaftler Recht - nicht
aber als Werber.

Er weiß nicht, dass Sie als Werbetexter ein
Gefühlsband zu Ihrem Leser aufbauen müssen.

Er glaubt, dass es reicht, wenn Sie Ihrem Leser
etwas kurz erklären. Der Leser weiß seiner
Meinung nach dann schon selbst, ob er kaufen
soll oder nicht. (Tolerante Theoretiker erlauben
dann wenigstens noch: »Sie können ja die
Aussagen noch etwas werblich aufpeppen.«)

Als unseriös gilt meist schon jede
Problemlösung, die Sie als schnell oder einfach
darstellen.

Für einen Info-Dienst schreiben: »So werfen Sie
einen faulen Mitarbeiter problemlos raus« - das
geht schon mal gar nicht. Top »unseriös«! Bringt
böse Leserbriefe.

Als seriös gilt Wischi-Waschi-Deutsch à la: »So
lösen Sie Personalprobleme auch in schwierigen
Fällen«. Liest keiner. Beschwert sich aber
auch keiner.

Oder noch ein Beispiel…

Bei diesem Beispiel darf ich Ihnen nicht
schreiben, um welches Verlagsprodukt es geht.
Denn das Mailing läuft so erfolgreich, dass ich
nicht die Konkurrenz auf die Spur locken darf.

Es läuft auch so erfolgreich, dass wir es jetzt
zu einem Magalog (eine Art Zeitung im
Werbebriefstil) ausbauten.

Die Headline von Mailing und Magalog gilt aber
selbst im Verlag einigen Theoretikern als
unseriös. (Obwohl sie so erfolgreich ist!)

Dabei machte ich nichts anderes, als dass ich
im Internet-Forum den Hilferuf eines
Teilnehmers mit der höchsten Klickrate
raussuchte und als Headline für mein Mailing
verwendete.

Während andere Forums-Beiträge nur zehn oder 15
Klicks erreichten, wies der Beitrag, dessen Headline
ich für mein Mailing übernahm, 687 Klicks auf.

Eine große Zahl von Forums-Teilnehmern wurde
also von dem Hilferuf des Kollegen
angesprochen. Warum sollte ich daher diesen
Hilferuf nicht über mein Mailing setzen - und
dazu die Lösung des Problems versprechen???

Also: Haben Sie keine Angst vor der Kritik
»unseriös«. Ein erfolgreiches Mailing gilt
einigen Zeitgenossen fast immer als »unseriös«.

Zurück zu unserem Beispiel mit dem Finanz-
Newsletter. Auch hier sind Sie wieder einmal
dann erfolgreich, wenn Sie so schreiben, wie
Sie reden….

Würden Sie einem Freund von Ihrem eigenen
Anlage-Erfolg erzählen, dann würden Sie doch
auch erst von der 800%-Aktie reden. Sie wollen
ihn doch erst begeistern und neugierig machen.

Warum soll das bei Ihrem Mailing anders sein?

Apropos »anders sein«. Die Leser in Deutschland
reagieren genauso wie die in den USA. Da ist
kein Unterschied.

Theoretiker sagen zwar…

»In Deutschland kannst Du die Leute nicht so
anpacken, wie in den USA.«

Sie haben aber nicht recht.

Deutsche Leser träumen genau so gerne, wie die
Amis. Dazu ein Beispiel…

Kurz nach dem Aktien-Crash vor 5 Jahren
schickte mir ein Verlag das auf deutsch übersetzte
Super-Mailing eines Star-Texters aus Florida.

Das Mailing lief in Deutschland schon einige Jahre
sehr erfolgreich. Der Text wurde und wird auch als
Magalog eingesetzt.

Das Strickmuster des Textes ist einfach: Zuerst
starke Beispiele in der Art: »Eine 37-jährige
Anlegerin erfüllte jetzt ihren Traum von einem
Leben als Malerin in der Provence… Eine 38-
jährige machte jetzt ihren Pilotenschein und
fliegt im eigenen Flugzeug… «

Dann der Hinweis, dass auch der Leser solchen
Reichtum erreichen kann. Zum Beispiel, wenn er
den Info-Dienst über Geldanlage abruft, der ihm
mit dem Mailing angeboten wird.

Ein typisch amerikanisches Mailing also.

Und jetzt funktioniert es genauso gut
in Deutschland.

Dabei ist dieser Info-Dienst, den der Text verkauft,
ein hoch seriöser, sehr anerkannter Dienst für
Geldanleger. Er informiert sehr sachkundig über alle
seriösen Arten der Geldanlage: Aktien, Immobilien,
Rentenpapiere, Fonds… ALLES!

Nochmals….

Und das mit dem sehr amerikanischen Brief eines
amerikanischen Erfolgstexters, der für
Deutschland genauso schrieb, wie für Amerika.

Ich musste dann damals - etwa 2001 - eine ruhigere
Version für die von Aktien schwer enttäuschten
deutschen Anleger schreiben. Ich legte damals den
Schwerpunkt auf Immobilien.

Tatsächlich brachte mein Mailing dann einige
Monate lang höheren Response als das
amerikanische Vorbild.

Dann überholte das Vorbild aber schnell wieder
meinen Text. Und läuft. Und läuft. Und läuft….
auch heute noch!

Ein sehr erfolgreiches Mailing also. Und das über
viele Jahre hinweg.

Ein unerfahrener Texter hätte wohl die hohe
Seriosität und den großen Umfang des Info-Dienstes
beschrieben. Der Chefredakteur des Info-Dienstes
hätte sich darüber sehr gefreut. Aber richtig gut
verkauft wird dieser Info-Dienst erst mit den sehr
starken Gewinn-Versprechen des amerikanischen Mailings.

Die Aussicht, sich als Geldanleger vielleicht auch
einen frühen Ruhestand und die Erfüllung eines
Jugendtraums leisten zu können, ist einfach unendlich
stark. Sie spricht Gefühle an. Der Texter musste dann
gar nicht mal so viel über den Info-Dienst schreiben.
Der Leser war ja schon vorprogrammiert: »Ich will
das haben!« - auch wenn er in Wirklichkeit »nur«
Papier bekam.

Also, was ich Ihnen sagen will: Seien Sie bei
Ihren Mailings lieber laut statt leise.

Ihrem Leser müssen Sie nicht extra sagen, dass der
800%-Gewinn, das eigene Flugzeug, der Maler-Rückzug
in die Provence nur Ausnahmen sind. So dumm ist
er nicht. Aber erlauben Sie ihm doch den Traum,
dass solche Ziele doch irgendwie erreichbar sind.

Dankbar für diesen Traum wird er Ihr Produkt bestellen.

So wie er früher für den »Duft der großen, weiten Welt«
Peter-Stuyvesant-Zigaretten rauchte oder an die
lustigen Geschichten des HB-Männchens glaubte. Oder
an die Männlichkeit der Marlboro-Männchen.

Als Texter stehen Sie oft vor der Entscheidung:
Schreibe ich so »seriös«, brav und logisch korrekt,
dass sich bestimmt keiner beschwert? Oder so »unseriös«
und frech, dass viele Menschen reagieren und kaufen.

Mir ist Version B lieber. Richtig viel
Response. Die Beschwerden »kritischer«
Theoretiker machen mir längst auch Spaß.

Aber bitte nochmals ACHTUNG! Kritiker Ihres
sehr direkten, menschlichen Schreibstils werden
stur behaupten, Sie würden etwas schreiben, was
nicht stimmt. Ihre Texte seien also unwahr,
weil Sie etwas Falsches schreiben würden.

Sagen Sie in so einem Fall klipp und klar, dass
guter Schreibstil nichts mit wahr oder unwahr zu
tun hat.

Im Gegenteil: Ich finde unklaren Wischi-waschi-Stil
unseriös. Unsere Politiker führen uns das ja täglich
vor.

Wer die Wahrheit sagt, kann das auch klar, anschaulich
und gefühlvoll tun.

Mit freundlichen Grüßen

Peter J. Beck
http://www.coin-sl.com/texter

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