Direct Mailers Roundtable

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Das Geheimnis der US-Startexter

14. November 2006

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Direct Mailer’s Roundtable
mailto:peterjuergenbeck@coin-sl.com

14. November 2006

ICH HABE DAS GEHEIMNIS
DER US-STARTEXTER DURCHSCHAUT

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Noch bin ich in den USA. Am Donnerstag geht der
Flieger dann wieder zurück. Mit im Reisegepäck
einer der simpelsten und wichtigsten Leitformeln
(Motivationsformeln), nach dem ich mich in den
nächsten Monaten richten werde…

»I Want To Become Rich!«

Michael Masterson sagte den Satz (und schreibt ihn
auch in seinem neuen Buch »Seven Figures In Seven
Years« (will heissen: siebenstelliges Vermögen in
sieben Jahren).

»I Want To Become Rich!«

Dieser Satz ist für einen Werbetexter der sicherste
Leitspruch für effective, simple, geradlinige Mailings.

Ein Texter, der geistreich, schriftstellerisch toll oder
witzig sein will, gerät beim Schreiben leicht in Unsinn.
Der Texter, der aber beim Schreiben Kohle, Kohle, Kohle
im Kopf hat, lässt den ganzen künstlerischen Unsinn weg
und verkauft.

Keine Kunst also …sondern »nur« verkaufen, verkaufen und
verkaufen.

Mike Palmer, so eine Art Texterchef bei Agora (mit 10
angestellten Textern) sagte es ganz drastisch: Ein
Mailing kann schlecht geschrieben sein, wenn aber die
Big Idea gut ist, gewinnt es.

Er sagte es wirklich so: »Bad writing, good Big Idea - wins!«

Die Big Idea eines Mailings ist der Verkaufsansatz eines
Mailings. Also so: Sie können ein Mailing für Vermieter
so beginnen: »Als Vermieter sind Sie für das Wohlergehen
Ihrer Vermieter verantwortlich…« Das ist eine Small Idea.
Very small. »Vermieter haben Angst vor der deutschen
Rechtsprechung!« Das ist eine Big Idea, auf der sich ein
starkes Mailing aufbauen lässt.

Ich kann auch über das Mailing für ein Organisations-Handbuch für
deutsche Steuerkanzleien ein Rennauto zeichnen, mit Strichmännchen,
die einen Reifen montieren, und dazu schreiben: »Teamwork in Ihrem
Büro«. Das ist witzig, aber keine Werbung.

Nun sagte Mike Palmer einen Satz, der mein bisheriges Denken
etwas umdreht: Haben Sie als Texter die Wahl, für welches
Produkt Sie schreiben, dann nehmen Sie unbedingt das Produkt,
das sich bisher am besten verkaufte.

Er ging sogar noch weiter…

Texter, die sich das schon erlauben können, sollen sogar
Aufträge für Produkte, die sich schlecht verkaufen, ablehnen. Ihre
Zeit lieber für Produkte einsetzen, die sich schon gut verkaufen.

Bisher sah ich Aufträge für Ladenhüter immer also besondere
Herausforderung an. Das habe ich aus meiner Zeit als
Redaktions-Volontär. Da entschloss ich mich einfach, bei Kollegen
unbeliebte Termine bei Tauben- und Kaninchenzüchtern toll zu finden.
(Heute bin ich Tauben-und-Kaninchen-Fachmann.)

Aber es stimmt eindeutig: Aufträge für Ladenhüter sind meist eine
äusserst langwierige und mühsame Arbeit, bringen aber wenig Ruhm.

Wahrscheinlich ist das schon US-Startexter-Geheimnis #1:
Wir schreiben nur für erfolgreiche Produkte - oder solche,
die sehr erfolgversprechend sind.

Das können aber auch in den USA nicht alle Texter so einfach
entscheiden. Also werden auch dort nicht alle so einfach Stars.

Was zeichnet also die so um die 20 Stars, die wir so kennen,
aus?

Alle, die ich kenne, schreiben hauptsächlich oder fast
ausschliesslich für Newsletter. Davon zu rund 80% für Financial
Newsletters. Und zu rund 20% für Health Newsletters.

Startexter, die andere Produkte verkaufen, kenne ich so gut
wie gar nicht. Ich kenne also keine US-Startexter, die für
Steuerberater-, Vermieter- oder Sekretärinnen-Handbücher
schreiben. Für andere Produkte, wie Autos, Baumaschinen,
PC-Software oder medizinische Geräte schon gar nicht.

Halt! Ich sage hier nicht, dass keine US-Texter für solche
Produkte schreiben. Aber sie werden eben keine Stars.

Ich bin also nicht unzufrieden, wenn ich auch für nicht
so leicht verkäufliche Produkte schreibe. Das ist für
mich weiterhin eine sehr spannende Herausforderung. Zumal
ich weiss, wie es US-Startextern geht, wenn sie mal für
einen deutschen Verlag schreiben.

In den letzten Jahren legten mir zwei deutsche Verlage
ein Mailing und einen Magalog von US-Textern vor, die
auf der Rangliste ganz oben rangieren. Auch bei den Seminaren
jetzt wurden sie wieder ehrfürchtig genannt. Dabei musste
ich innerlich lächeln. Denn die Texte für die deutschen
Verlage konnten NICHT eingesetzt werden. Viel zu oberflächlich
geschrieben.

Das meine ich nicht spöttisch. Es öffnet uns nur das
US-Startexter-Geheimnis #2: Die haben Hintergrund-Informationen ohne
Ende. Und ohne diese Hintergrundinformationen schreiben auch die Stars
nur durchschnittlich.

In Deutschland ist es z.B. bei allen Verlagen üblich, dass die
Chefredakteure NICHT mit dem Texter sprechen. Und wenn, dann nur ganz
oberflächliches Zeugs. Haben Sie zum Beispiel im vergangenen Jahr mit
dem Chefredakteur irgendeines Aktien-Newsletters telefoniert, dann
stellte er Ihnen die Aktie »Bijou Brigitte« als seine Top-Empfehlung
vor: »Schreiben Sie das, dann haben Sie doch schon
was …was wollen Sie denn noch mehr?«

Schon mehrmals schrieb ich Mailings, die gegen ein auf deutsch
übersetztes US-Mailing gewinnen mussten (und das oft auch taten).

Das sieht dann so aus: Neuauftrag Mailing für einen Newsletter über
Rohstoffe. Informationen? Dass China und Indien jetzt viel Rohstoffe
brauchen, und dass daher die Kurse für Rohstoffaktien steigen. Gibt’s
ein Buch, eine Website, wo ich mich einlesen kann? Weiss keiner.
Chefredakteur kaum erreichbar. Sagt so gut wie nix.
Verrät nicht mal eine Website, wo ich Charts über Rohstoff-Aktien
finde.

Ich muss also von Null anfangen, soll aber schon in einer Woche einen
ersten Vorschlag vorlegen.

Gegen wen konkurriere ich da? Gegen ein Team, wie das von Mike Palmer
in Baltimore. Schon wenn Sie das Verlagshaus dort betreten, stapeln
sich da im Eingang überall Bücher, Bücher und Bücher.

Kommen Sie dann mit einem der Newsletter-Redakteure ins Gespräch,
hört der mit dem Reden kaum mehr auf. So begeistert ist der von
seinem Newsletter und den Themen dazu.

Das Texter-Team um Mike Palmer arbeitet wie ein Reporter-Büro. Es
liest täglich Dutzende von Zeitungen und Zeitschriften. Immer auf der
Suche nach der BIG IDEA fuers nächste Mailing.

Und haben die so eine Big Idea gefunden, dann greift die auch
die Redaktion auf. Es herrscht also enge Zusammenarbeit zwischen
Redaktion und Werbung. In Deutschland meiden sich diese Bereiche wie
Hund und Katz. Da redet keiner mit dem anderen.

Und wenn, dann nur Sachen, bei denen man anschliessend in die USA
flüchten und Trost suchen muss. Zum Beispiel nach dem Satz des
Chefredakteurs eines Loseblattwerkes für Geldanlage (nein, nicht dem
sehr guten Handbuch aus Bonn; sondern dem auch sehr gut gemachten
Handbuch eines anderen Verlags): »Herr Beck, eine gewisse
Ziegruppen-Neutralität Ihres Mailings wäre wünschenswert”.

Also keine Unique Sales Proposition, sondern eine Universal Sales
Proposition.

Ich glaube also, dass das die ersten zwei Geheimnisse der
US-Star-texter sind:

Erstens: Sie schreiben fast ausschliesslich für sehr verkaufs-starke
Newsletter mit sehr hoher Gewinnspanne. Es sind schon die Newsletter
in Richtung Verkauf und Leserinteresse geschrieben. (Wenn hingegen in
Deutschland ein Verlag über ein Mailing für Kanzleiorganisation
ein Rennauto mit Strichmännchen setzt, kann man sich vorstellen, wie
weit es mit der Leserzielrichtung …dem USP… her ist.)

Zweitens: Sie arbeiten mit sehr vielen fundierten Informationen,
arbeiten lange an der Suche nach der Big Idea …und haben dabei alle
Unterstützung der Verlage und Redaktionen.

Die eben vorgestellten festangestellten Texter können leicht auch
verschiedene Textansätze ausprobieren. Wird ein Text nicht genommen,
kriegt der Texter dennoch sein Geld.

Und die freien Stars können mit immer wieder neuen Aufträgen zum
selben Thema rechnen. Sie liefern stetig erfolgreiche Mailings, weil
sie dazu alle Infos bekommen, die sie brauchen.

Und dann ist auch noch die Bezahlung gigantisch. Zwischen $15.000 und
$25.000 gibt’s für ein Package. Dazu kommen dann aber auch noch
Beteiligungen, für in noch grösseren Mengen ausgesandte Mailings.
Damit kommen wir zu…

Startexter-Geheimnis #3:
Die arbeiten zusammen. Fast alle Startexter,
die ich fragte, haben zuerst mal eine hochintelligente Frau, die eng
und mit grossem Interesse mitarbeitet. Ausserdem beherrschen fast alle
dieser Texter die Kunst, engagierte Leute zu finden, die interessiert
mitarbeiten. So schreiben manche Texter oft nur Headlines
und Einstieg eines Mailings - den Rest schreibt ein Assistent.

Startexter-Geheimnis #4: Weiterbildung! Weiterbildung! Weiterbildung!
Den Amis macht Weiterbildung einfach Spass. So ein Seminar, wie ich
gerade besuchte, wollte auch ein grosser deutscher Verlag zweimal
durchführen. Zweimal musste er zurückziehen. Kaum Teilnehmer.
Hauptsächliche Begründung der Zielgruppe: »Zu teuer!« 200 Euro.

Das Seminar hier kostete $2.000. Die meisten Teilnehmer machten aber
auch noch beim zweiten Seminar mit. Nochmals $2.000. Das Hotel kostet
zwischen $180 und $240 pro Nacht. Aber nicht ein einziges Mal hörte
ich auch nur ein einziges Mal Gemeckere wegen angeblich zu hoher
Preise.

Das Problem war eher, dass zu viele Teilnehmer kamen: 550! (Man konnte
immer zwischen verschiedenen Vortraegen wechseln; da waren dann die
Gruppen also kleiner).

Dass das ausserhalb der USA ganz anders ist, merkte ich schon an der
Werbeakademie. Da war angekündigt, dass Hershel Gordon-Lewis in
Zürich spricht. Ich fragte unter meinen Mitstudenten, wer mit mir
mitkommen will. Keiner kam mit. Zu weit weg von München. Zu teuer. Zu
viel Stress.

Ein anderer Verlag hatte Startexter Craig Huey zum Vortrag nach
Deutschland eingeladen. Der kam für diesen Vortrag extra von
Kalifornien nach Deutschland (inclusive intelligenter Frau, die mit
ihm zusammenarbeitet). Von den eingeladenen Textern (alles kostenlos!)
kamen die meisten nicht!!!!!

Diese Freude an Weiterbildung sehe ich auch in den Buchparadiesen
Barnes & Noble und Borders. Das sind riesige Freizeitzentren. Voll mit
Lesern. Junge Leute sitzen auf den Böden und in den Cafeterias und
lesen. Bis 22 Uhr herrscht in diesen Buchläden Hochbetrieb.

Dazu kommt ein weiterer Vorteil: Sie finden zu jedem Thema sofort das
passende Buch.

Startexter-Geheimnis #5: Keiner ist denen in den USA neidig. Wenn das
Mailing einer jungen Carline Anglade-Cole hohen Response bringt, dann
kriegt die eben ihre $20.000 pro Mailing und darf auch mit ihren
jungen Jahren im 500er Mercedes vorfahren.

So hohe Honorare wären in Europa für Einzelpersonen nie durchsetzbar.
Das vorhin genannte Mailing mit dem Rennauto und den Strichmännchen
wäre mit einem Profi-Mailing leicht schlagbar. Und zwar vielfach!
Vergessen wir’s.

Und damit kämen wir zu…

Startexter-Geheimniss #6: Die Wirtschaft in ganz Europa driftet
eindeutig in Richtung Sozialismus ab. Grosse Unternehmen sind so satt,
die müssen überhaupt nicht viel Geld verdienen. Würde in den USA
ein Werbeleiter mit so einem Rennauto/Strichmännchen-Mailing
auftreten, wäre das sein letzter Auftritt.

Ich brachte drei Ausgaben vom »Fischer’s Archiv« mit zum Seminar. Das
galt hier als Witze-Buch. »Solche Mailings verschicken die in
Deutschland?« Aber da passiert nichts. Die Strukturen in den Betrieben
sind so, dass niemand für irgendwas verantwortlich ist.

Nehmen Sie mal Siemens. An der Werbeakademie hatte ich mit einem
Werbeleiter für Telefone bei Siemens. Ein scheissarroganter junger
Holländer. Als den mal bei Siemens besucht hatte, spottete er paar
Tage später in der Werbeakademie: «Der Peter kam mit dem Mofa.«
Dabei war’s eine schöne 200er Vespa. Aber der Intrigant musste das
ins Lächerliche ziehen.

Schliesslich war ich dann für die Abschluss-Praxisarbeit in einer
Gruppe mit ihm eingeteilt. Unmöglich mit ihm zusammenzuarbeiten.
Wusste alles besser. Hatte studiert, war daher besser ausgebildet, als
die anderen.

Schliesslich fragte ich ihn, ob seine Mailings für Siemens denn so
super liefen, wie er sich darstellt. Jetzt passen Sie auf. Sie
werden’s mir kaum glauben. Seine Antwort: »Wir messen keinen Response,
wir wissen auch so, dass unsere Mailings gut sind.«

Ich nahm dann einfach an der Gruppe nicht mehr teil, kam einfach nicht
mehr. Das Abschluss-Ergebnis dieser Gruppe war dann das
zweitschlechteste des Jahrgangs. Dem arroganten Holländer konnte es
wurscht sein. Dem passierte bei Siemens nichts.

So wie auch seinem obersten Chef nichts passiert. Natürlich ging das
mit den Telefonen bei Siemens in die Hose. Heinrich von Pierer konnte
das wurscht sein. Er wurde gleich Vorsitzender des Aufsichtsrats. Er
kann keine Mailing-Aktionen durchführen, sitzt aber in zehn weiteren
Aufsichtsräten, beispielsweise bei Bayer, Hochtief, der Münchener
Rückversicherungsgesellschaft AG und bei Volkswagen.
Er bekam den Bayerischen Verdienstorden, den Goldenen Ehrenring der
Stadt Erlangen und das grosse Verdienstkreuz der Bundesrepublik
Deutschland.

1997 erhielt er das Ehrendoktorat der TU München, 1998 das der
Katholieke Universiteit Leuven und 2005 das der Technischen
Universität Graz.

Er ist Berater der Bundesregierung - ausgerechnet zum Thema
Innovation. Dann auch noch Honorarprofessor an der
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg für das Fach
Betriebswirtschaftslehre.

Dabei lässt der nicht einmal den Response von Mailing-Aktionen
messen!!!!!!!!!!!! Aber Professor ist er!?!?!?!

Es gibt also in vielen europäischen Unternehmen diesen Leistungsdruck
wie in den USA nicht. Marketing- und Werbechefs dürfen Mailings
verschicken, die keinen Erfolg bringen und es passiert ihnen nichts.
Absolut nichts.

Ich glaube, dass sich hier USA und Europa total unterscheiden.

Startexter-Geheimnis #7: Die verkaufen sich einfach besser. Gleich nach
dem Seminar verschickte z.B. Clayton Makepeace dieses Mailing hier…

The Redhead (Anmerkung: seine Frau) and I jetted down to Florida last
Thursday for the American Writers and Artists bootcamp in DelRay
Beach, where I spoke - brilliantly and to standing ovations — three
times.

Recht hat er!

Das alles schreibe ich Ihnen ein bisschen, weil ich natürlich auch
mich - und einige meiner Kollegen - ins rechte Bild rücken will. So
viel schlechter sind wir auch nicht. Ich möchte mal einen Clayton
Makepeace, einen Michael Masterson oder einen Don Mahoney erleben,
wenn ihm eine deutsche Chefredakteurin (staatlich examinierte
Juristin) schnippisch klarmacht: »Was der USP meines Werkes ist? Ihnen
das zu sagen, das ist nicht meine Aufgabe!!!!!«

Wer trotz solcher Auskünfte hohen Response erziehlt, ist auch ein
Star. Irgendwie schon, meine ich.

So, jetzt geht’s letztmals mit der gemieteten Harley durch die
Everglades. Schliesslich macht mein neues grosses Vorbild Clayton
Makepeace das auch, wenn er Ideen braucht. Startexter-Geheimnis #8!

Viele Grüße
Peter J. Beck
www.coin-sl.com/texter

PS: Interessant ist, dass kein einziger der Startexter mein
Traum-Studium »Creative Writing« absolviert hat. Nicht mal
Journalismus oder Advertising. Ein paar — z.B. Clayton Makepeace –
hat gar nichts studiert. Bob Bly ist studierter Ingenieur. Mike Palmer
bezeichnete College Degrees als ein gutes Geschaeft für die Anbieter
– den Absolventen bringen sie gar nichts!

PPS: Schreibe ich jetzt langsam oder schnell? Für diesen Brief habe
ich knapp vier Stunden gebraucht.

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